BGH, Urteil vom 12. Mai 2016, AZ VII ZR 171/15

 

BGB § 634

Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen richten sich bei nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossenen

Bauträgerverträgen weiterhin grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei

Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (Fortführung von BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, BauR 1985, 314, 315).

WEG § 10 Abs. 2, §§ 21, 23; BGB § 640

Ergeht in der ersten Eigentümerversammlung im Jahr 2002 ein Beschluss gemäß einer Bestimmung in der Teilungserklärung dahingehend, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch ein Ingenieurbüro auf Kosten des Bauträgers in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchgeführt werden soll, und erklärt das dementsprechend beauftragte Ingenieurbüro die Abnahme des Gemeinschaftseigentums auch im Namen von Nachzügler - Erwerbern, die zu diesem Zeitpunkt weder Wohnungseigentümer noch werdende Wohnungseigentümer waren, so entfaltet diese Abnahme des Gemeinschaftseigentums eine Abnahmewirkung zu Lasten der Nachzügler - Erwerber weder aufgrund der genannten Bestimmung in der Teilungserklärung noch aufgrund des genannten Beschlusses in der ersten Eigentümerversammlung.

BGB § 307 Bf., § 309 Nr. 8 b) ff)

a) Die von einem Bauträger in einem Erwerbsvertrag gegenüber Nachzügler -Erwerbern gestellten Formularklauseln "Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. ... am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben" sind unwirksam.

b) Dem Bauträger ist es als Verwender dieser von ihm gestellten, unwirksamen Formularklauseln nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB nicht bestehe (Anschluss an BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 49/15).

Hintergrund:

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft macht gegen einem Bauträger Mängelansprüche, insbesondere einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums geltend.

Die Wohnungseigentumsanlage wurde 2002 errichtet und besteht aus 23 Wohnungen nebst Kfz-Stellplätzen, die in der Folgezeit verkauft wurden. Die Teilungserklärung sieht in § 19 vor, dass die Wohnungseigentümer in der ersten Eigentümerversammlung ein Ingenieurbüro mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums beauftragen. Am 25.11.2002 nahm ein Ingenieurbüro das Gemeinschaftseigentum ab, so wie es zuvor in der ersten Eigentümerversammlung beschlossen worden war. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch noch nicht alle Wohnungen verkauft.

Die Kaufverträge, die nach der Abnahme geschlossen worden sind, enthalten folgende Klausel (§ 6 Abs. 3 des KV):

„Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben.“

Mehr als fünf Jahre nach der Abnahme beanstandete ein Erwerber, der seine Wohnung erst am 14.5.2003 erworben hat, Mängel am Gemeinschaftseigentum. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat die Mängelansprüche an sich gezogen und verlangt vom Bauträger Zahlung eines Vorschusses von 72.000 Euro, um die Mängel zu beseitigen. Der Bauträger hat die Einrede der Verjährung erhoben. Nach seiner Auffassung sei auch für die Nachzügler-Erwerber die Abnahme am 25.11.2002 bindend, sodass die fünfjährige Verjährungsfrist abgelaufen sei.

Der BGH entschied jedoch, dass der Beschluss der ersten Eigentümerversammlung mangels Beschlusskompetenz insoweit nichtig ist, als damit die Wirkung der vom Ingenieurbüro K. erklärten Abnahme des Gemeinschaftseigentums auf Nachzügler - Erwerber, darunter den Nachzügler -Erwerber Dr. M., erstreckt werden soll.

Darüber hinaus ist nach Ansicht des BGH die Klausel in § 6 Abs. 3 Satz 1 wegen unangemessener Benachteiligung der Nachzügler - Erwerber, darunter des Nachzügler – Erwerbers Dr. M., gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 640 Abs. 1 BGB, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Nach § 640 Abs. 1 BGB ist der Besteller verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen. Besteller ist auch hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums der einzelne Erwerber des Wohnungseigentums. Aufgrund der erheblichen Bedeutung der Abnahme im Werkvertragsrecht ist diese neben der Vergütungspflicht eine Hauptpflicht des Erwerbers. Damit korrespondiert auf der anderen Seite das Recht des einzelnen Erwerbers, bezüglich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums - gegebenenfalls nach sachverständiger Beratung - selbst zu entscheiden oder durch eine von ihm zu beauftragende (Vertrauens -) Person entscheiden zu lassen.

Die von dem Bauträger erhobene Einrede der Verjährung greife demzufolge nicht durch.

Die Verjährung von Mängelansprüchen beginnt grundsätzlich mit der Abnahme, § 634a Abs. 2 BGB. Eine solche ist (in dem zu Entscheidung vorgelegtem Fall) weder durch § 19 der Teilungserklärung noch durch die Klausel in § 6 Abs. 3 Satz 1 noch konkludent durch Ingebrauchnahme und anschließende Nutzung durch Dr. M. erfolgt.

 

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