BGH, Urteil vom 20. Mai 2015, VIII ZR 145/14

Hier: ein öffentlich-rechtlicher Verband, dem die Pflicht zur öffentlichen Wasserversorgung in seinem Verbandsgebiet in Sachsen übertragen worden ist. Innerhalb dieses Gebietes besteht ein Anschluss- und Benutzungszwang. Ein Eigentümer von 12 Wohneinheiten, die teilweise leer standen, beanstandete die Grundgebührenbemessung. Er war der Auffassung, dass die Fixkosten der Wasserversorgung fehlerhaft kalkuliert seien und demzufolge entspreche die - darauf aufbauende Preisbestimmung - nicht der Billigkeit.

Zur Rechtslage: Nach § 14 SächsKAG können Gebühren nach dem Ausmaß der Benutzung oder nach den durch die Benutzung durchschnittlich verursachten Kosten bemessen werden. Es ist auch möglich, beide Kriterien miteinander zu verbinden und für die fixen Vorhaltekosten unabhängig vom Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme angemessene Grundgebühren zu erheben.

Der BGH vertritt die Auffassung, dass der Verband für das Bereitstellen und das ständige Vorhalten der Trinkwasserversorgung für jede Wohneinheit ungeachtet eines zeitweiligen Leerstandes einen einheitlich bemessenen Grundpreis verlangen darf. Ebenso ist es nicht als unbillig zu beanstanden, dass der Kläger für die Bemessung des Grundpreises lediglich auf das Vorhandensein von an die Versorgung angeschlossenen Wohneinheiten ohne weitere Differenzierung nach deren Größe abgestellt hat. Ein Versorger ist demzufolge grundsätzlich berechtigt, für das Bereitstellen und ständige Vorhalten der Trinkwasserversorgung in angemessener Höhe einen verbrauchsunabhängigen Grundpreis vorzusehen. Denn die Frage, in welcher Weise der Versorger diese verbrauchsunabhängigen Kosten in seine Kalkulation einfließen lässt und ob sie über den Arbeitspreis, über den Grundpreis oder im Wege einer Mischkalkulation erwirtschaftet werden, obliegt grundsätzlich seiner freien unternehmerischen Entscheidung, soweit er die dafür bestehenden rechtlichen Bindungen einhält (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 1984 - KVR 13/83, WM 1985, 490 unter II 2 c cc; ferner auch BVerwG, MDR 1982, 431 f.). Dem Versorger steht deshalb auch insoweit ein einseitiges, allerdings in bestimmter Weise rechtlich gebundenes Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zu (vgl. Senatsurteil vom 21. April 2010 - VIII ZR 97/09, NZM 2010, 558 Rn. 11, 14).

Hinsichtlich der dabei bestehenden Bindungen geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Tarife von Unternehmen, welche mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfalle angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und entsprechend § 315 BGB einer Billigkeitskontrolle unterworfen sind. Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens hergeleitet worden, gilt aber auch für den hier gegebenen Fall des Anschluss- und Benutzungszwangs. Denn in diesen Fällen muss der Kunde, wenn er die Leistung in Anspruch nehmen will, mit dem Unternehmer kontrahieren, auch wenn er mit dem vorgeschriebenen Preis oder Tarif nicht einverstanden ist (zum Ganzen Senatsurteil vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 292/11, aaO Rn. 21 mwN).

Ob die Preisbestimmung in einem Massengeschäft wie der Energie- und Wasserversorgung der Billigkeit entspricht, ist durch eine Abwägung der typischen Interessen der Vertragspartner wie auch der übrigen Anschlussnehmer sowie einer umfassenden Würdigung des Vertragszwecks zu bestimmen (BGH, Urteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 17; vom 24. November 1977 - III ZR 27/76, WM 1978, 1097 unter A II 2; jeweils mwN). Geprägt wird diese Billigkeitskontrolle dabei maßgeblich durch den Umstand, dass der Kläger auch im Rahmen des privatrechtlich ausgestalteten Nutzungsverhältnisses an die grundlegenden Prinzipien des öffentlichen Finanzgebarens gebunden ist (vgl. BGH, Urteile vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05,NJW-RR 2006, 133 unter II 2 a; vom 10. Oktober 1991 - III ZR 100/90, BGHZ 115, 311, 318; jeweils mwN).

Zu diesen grundlegenden Prinzipien, denen ein beachtlicher Gerechtigkeits- und Billigkeitsgehalt innewohnt und die aus Gründen der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen sind, gehören insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung (BGH, Urteile vom 10. Oktober 1991 - III ZR 100/90, aaO; vom 13. März 2003 - X ZR 106/00, NVwZ 2003, 1015 un-ter 2 b (2)). Denn sie sind darauf angelegt zu gewährleisten, dass das Gebührenaufkommen die (Gesamt-)Kosten der jeweiligen Einrichtung der Daseinsvorsorge deckt (vgl. § 10 Abs. 1 SächsKAG), zwischen Leistung und Gegenleistung ein angemessenes Verhältnis besteht, die Gebühr insbesondere nicht in einem groben Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung steht (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 SächsKAG) und schließlich bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Maßstäbe der Heranziehung in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so gewählt sind, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in den Nutzungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Nutzern gewahrt bleibt (BGH, Urteil vom 13. März 2003 - X ZR 106/00, aaO mwN).

Der Versorger muss jedoch in einem Streit seine Kalkulation jedenfalls in ihren beurteilungsrelevanten Größen (vgl. §§ 11 ff. SächsKAG) vortragen und gegebenenfalls unter Beweis stellen, um die Feststellung zu ermöglichen, welche Kostenpositionen er als fixe Kosten dem Grundpreis und welche Positionen er dabei dem Mengenpreis zugeordnet hat. Zugleich würde dies die Feststellung ermöglichen, ob sich die dabei ergebende Zuordnung selbst bei einer Abweichung von den kalkulierten Kostendeckungsquoten in einem Rahmen hält, der etwa auch im Falle einer Überschreitung der vom Kläger behaupteten Deckungsquote noch als billig hinzunehmen wäre (vgl. auch BVerwG, MDR 1982, 431 f.). Erst diese Feststellungen würden die auch im Rahmen des § 315 BGB erforderliche Prüfung auf Einhaltung des bei der Preiskalkulation zu berücksichtigenden Kos-tenüberschreitungsverbots und dessen sachgerechte Übertragung auf den in Rede stehenden Grundpreis gewährleisten.

Insbesondere wäre es erst danach möglich gewesen festzustellen, ob der Kläger sich dabei auf die nach §§ 11 ff. SächsKAG berücksichtigungsfähigen Kosten, zu denen namentlich die angemessene Verzinsung des Anlagekapitals sowie angemessene Abschreibungen zählen, beschränkt und sie in zu-reichender Weise nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt hat und daran anknüpfend von einem tauglichen Bemessungsmaßstab (vgl. § 14 SächsKAG) ausgegangen ist. Ebenso würden erst diese Feststellungen die im Rahmen der Billigkeitsprüfung gleichfalls vorzunehmende Beantwortung der Frage ermöglichen, ob der Kläger selbst bei ordnungsgemäßer Ermittlung und Zuordnung der bei ihm entstehenden Kosten nicht etwa auch solche angesetzt hat, die bei Ausschöpfung etwaiger Rationalisierungsreserven vermeidbar gewesen wären, wenn er ohne die ihm zukommende Monopolstellung einem gewissen Rationalisierungsdruck ausgesetzt gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 1999 - KVR 12/98, BGHZ 142, 239, 247). Ohne die erforderliche Substantiierung war das einfache Bestreiten der Beklagten zulässig (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 314/07, WM 2009, 1957 Rn. 23; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 6/08, juris Rn. 19 f.; und VIII ZR 327/07, RdE 2010, 384 Rn. 19 f.). Im Ergebnis wird die Sache wird neu verhandelt werden, damit die erforderlichen Feststellungen zur Billigkeit des vom Kläger kalkulierten Grundpreises getroffen werden können.

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