- Wohnungseigentumsrecht |
- 11. Oktober 2022
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im September 2022 entschieden, dass bei einem Leitungswasserschaden, der im räumlichen Bereich des Sondereigentums eingetreten ist, der im Gebäudeversicherungsvertrag vereinbarte Selbstbehalt – vorbehaltlich einer abweichenden Regelung - von allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu tragen ist.
Tritt in einer Wohnungseigentumsanlage aufgrund einer defekten Wasserleitung ein Schaden ein, ist ein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarter Selbstbehalt, durch den der Versicherer einen bestimmten Teil des ansonsten versicherten Interesses nicht zu ersetzen hat, wie die Versicherungsprämie nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel zu verteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Leitungswasserschaden an dem Gemeinschaftseigentum oder – ausschließlich oder teilweise - an dem Sondereigentum entstanden ist. Zwar stellt nach versicherungsrechtlichen Maßstäben die Vereinbarung eines Selbstbehalts im Versicherungsvertrag, bei dem der Versicherer einen bestimmten Betrag des versicherten Schadens nicht ersetzen muss, einen Fall der bewussten Unterversicherung dar. Es würde jedoch der Interessenlage der Wohnungseigentümer bei Abschluss einer verbundenen Gebäudeversicherung nicht gerecht, wenn der geschädigte Sondereigentümer den Selbstbehalt alleine tragen müsste. Die Entscheidung für einen Selbstbehalt im Versicherungsvertrag ist regelmäßig damit verbunden, dass die Gemeinschaft als Versicherungsnehmerin eine herabgesetzte Prämie zu zahlen hat. Das ist für die Wohnungseigentümer wegen der damit einhergehenden Verringerung des Hausgeldes wirtschaftlich sinnvoll. Von sonstigen Fällen einer bewussten Unterversicherung unterscheidet sich der Selbstbehalt wegen des typischerweise überschaubaren und genau festgelegten Risikos.
Grundlage der Entscheidung zugunsten eines Selbstbehalts ist dabei die Erwartung der Wohnungseigentümer, dass dieses durch Mehrheitsentscheidung eingegangene Risiko für alle vom Versicherungsumfang erfassten Sachen gemeinschaftlich getragen wird.
An dem Ergebnis ändert sich nach Ansichts des Gerichts nichts, wenn der Versicherer – wie hier - die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses in einer schadengeneigten Wohnungseigentumsanlage von der Vereinbarung eines Selbstbehaltes abhängig macht. Auch dann kommt die Vereinbarung eines Selbstbehalts allen Wohnungseigentümern zugute, und zwar deshalb, weil andernfalls deren Anspruch gegen die Gemeinschaft auf angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert nicht erfüllt werden könnte. Im Ergebnis stellt daher der im Schadensfall in der verbundenen Gebäudeversicherung verbleibende Selbstbehalt bei wertender Betrachtung wie die Versicherungsprämie einen Teil der Gemeinschaftskosten gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG dar.
BGH, Urteil vom 16. September 2022 – V ZR 69/21
Pressemitteilung Nr. 135/2022